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Wird die Comicbranche zum Frauenzimmer? - Interview
Auf der Leipziger Buchmesse wollten wir Frauke Berger (Grün, Die Schöne und die Biester), Katrin Gal (Radius) und Claudya Schmidt (Myre, Haunter of Dreams) über das Thema "Frauen in der Comic-Branche" sprechen. Da die LBM leider ausfällt, haben wir die Zeichnerinnen zum Kurzinterview gebeten, das wir an dieser Stelle präsentieren. Vielen Dank an die drei, dass sie sich so kurzfristig einverstandenn erklärt haben!
Ein Hinweis in eigener Sache: Wir haben uns auf das Podiumsgespräch sehr gefreut und finden es sehr schade, dass diese Gelegenheit nicht genutzt werden kann. Ein Online-Interview, das in derart kurzer Zeit auf die Beine gestellt werden musste, kann notwendigerweise eine echte Gesprächsrunde nicht ersetzen, weder in der Tiefe noch im Umfang. Wir freuen uns über eure Meinungen und konstruktive (!) Kritiken zum Thema (per E-Mail oder auf den sozialen Medien) und hoffen auf eine Gelegenheit, das Event nachzuholen.
HINWEIS: Dieser Artikel erscheint anstelle eines Gesprächs, dass wir mit Frauke Berger, Katrin Gal und Claudya Schmidt auf der Leipziger Buchmesse führen wollten. Nach der Absage der Messe ist er nun teil unseres Messe-Ersatzprogramms Splitter LBM 2.0. Weitere Aktionen und Events rund um Splitter LBM 2.0 findet ihr HIER gesammelt!
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Frauke
Ich selbst habe nicht direkt negative Erfahrungen gemacht, bin aber auch ziemlich blauäugig an die Sache herangegangen und war mir Anfangs auch gar nicht bewusst, dass ich mich in eine "Männerdomäne" begebe. Das ist vielleicht auch gar nicht so verkehrt – ich möchte schließlich auf Grund meiner Arbeit anerkannt werden und nicht auf Grund der Tatsache, dass ich eine Frau bin.
Katrin
Man würde definitiv weniger drauf angesprochen werden, welche Auswirkung mein Geschlecht auf meine Arbeit hat und man müsste sich wohl nicht so häufig für seine Themenwahl rechtfertigen oder erklären, warum man (als Frau) eben dieses Genre gewählt hat. |
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Claudya
Bei dieser Frage gibt es weder "gut" noch "schlecht", denn Bildsprache und Thematiken beziehen sich hauptsächlich auf Erfahrungen und gesammelten Inspirationen der verschiedenen Künstler. Wenn die Comics oder Bilder nicht politischer Natur sind, gibt es manchmal leichte Unterschiede zu erkennen. Ich bin nicht überrascht, wenn ich junge Frauen sehe, die Autos und Superhelden darstellen sowie männliche Kollegen Einhörner und andere fantastische Wesen. Ich selbst habe als junges Mädchen riesige Mechas und Technik dargestellt, welche die meisten Leute eher von einem Jungen erwartet hätten. Es gibt allerdings Comics und Bilder, die rein politisch sind oder rein aus Lebenserfahrung kreiert wurden. So gibt es Frauen, die über ihre Lebenserfahrungen mit Unterdrückung oder spezifische Erfahrungen wie Krankheiten, Human Trafficking usw berichten. Aber das Gleiche kann auch von männlichen Künstlern erschaffen werden. Von daher gibt es für mich keine wirklichen Unterschiede. Weder in Technik noch in Bildsprache.
Katrin
Mir fällt es immer schwer, Stile und Thematiken Geschlechtern zuzuordnen. Vorallem wenn man ins Internet schaut, sind oftmals kaum noch Unterschiede erkennbar, denn jeder ist frei das zu machen, wonach einem gerade ist und dadurch ist man unumgänglich geflutet von einem vielfältigen Sortiment aller erdenklichen Stilrichtungen und Themen. Bei dieser uneingeschränkte diversity macht es es fast schon überflüssig, die Arbeit eines creators nach seinem Geschlecht zu beurteilen.
Frauke
Ich achte schon darauf, beispielsweise meinen Frauenfiguren „realistische“ Proportionen zu geben – gleichzeitig habe ich selbst kein Problem mit stilistischen „Übertreibungen“ (an denen Frau durchaus auch Spaß haben kann), auch wenn mir manche unnötig erotisch in Szene gesetzte halbnackte Amazonenkriegerin auf den Keks gehen. Natürlich gibt es in unserer heutigen Gesellschaft immer noch Unterschiede zwischen den Erfahrung von Frauen und Männern, was sich wiederum in den erzählten Geschichten niederschlägt. Mehr Diversität ist dabei immer gut – ich finde es besonders interessant, wenn Frauen innerhalb männlich dominierten Genres zeichnen und umgekehrt. |
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Frauke
Nicht direkt – ich zeichne Comics, wie ich sie selbst gerne lese – meine Linienführung ist eher weich als kantig und meine weiblichen Charaktere klagen wahrscheinlich weniger über Rückenprobleme aufgrund ausufernder sekundärer Geschlechtsmerkmale.
Wobei es definitiv stimmt, dass mir weibliche Hauptfiguren mehr Spaß machen als männliche. In „Grün“ lebt Lis auch tatsächlich in einer eher utopischen Gesellschaft, die sich wenig für Geschlechterrollen interessiert.
Ich selbst achte nicht bewusst darauf, ob ein Comic von einer Frau oder einem Mann geschrieben wurde – hauptsache er gefällt.
Claudya
Ich schreibe und zeichne für alle. Meine Charaktere in Bildern sowie Comics sind alle gleichgesetzt und müssen den gleichen Weg gehen. Somit sind Geschlechter für die Storyentwicklung arbiträr und spielen keine Rolle für mich. Außer ich würde mich für ein spezifisches Thema entscheiden, was wirklich nur für Frauen kreiert werden soll, ist mein Ziel hauptsächlich Storytellung und Bedeutung der Bildinhalte.
Katrin
Ich hatte immer eher das Bestreben bei einer Zielgruppe wie ich selbst anzukommen, das heißt Leute Pi mal Daumen in meinem Alter mit ungefähr denselben Interessen, über deren Geschlecht hatte ich nicht besonders viel nachgedacht.
Anfangs hatte ich eine überwiegend männliche Leserschaft, vermutlich angefixt "durch das ganze militärische", mittlerweile sind sehr viel mehr Mädels dazugekommen und haben lustigerweise meine Charaktere non-canon-mässig in die Fraktionen "TeamTom" und "TeamTank" aufgeteilt – und aufgrund dieser witzigen Entwicklung, verstecke ich gerne Easter Eggs für meine weiblichen Leserinnen, hat sich aber herausgestellt, dass die Herren es auch begrüßen ;D
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Katrin
Bleibt zu hoffen, dass die Tendenz weiterhin steigt, so dass eine comicmachende Frau irgendwann nicht mehr wie ein Einhorn betrachtet wird – denn ich bin nicht der Ansicht, dass ein von einer Frau produzierter Content sich signifikant zum einem von einem Mann erstellten Werk unterscheidet. Und wenn doch – dann bringt es eben eine erfrischende Abwechslung mit sich.
Frauke
Es gibt mittlerweile allgemein viel mehr Möglichkeiten einen Zugang zur Comicszene zu finden (Internet, Filme, Serien...), dabei wirkt es für mich nur natürlich, dass sich nun auch mehr Frauen dafür interessieren. Je mehr der Comic aus seiner Nische herauskommen kann, desto diverser wird auch sein Publikum und seine Zeichner. |
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Frauke
Ich war es von Manga-Messen und entsprechenden Zeichnerportalen gewohnt, größtenteils unter Frauen unterwegs zu sein – als ich meinen ersten eigenen Tisch ausgerechnet auf einer Comicbörse hatte, war ich tatsächlich sehr überrascht, dass wirklich so gut wie nur Männer zum Publikum gehörten. Ein Grund warum ich die Leipziger Buchmesse so gerne mag: hier durchmischt sich Manga und Comicpublikum ganz wunderbar.
Katrin
Jahrelang habe ich die Rüstung der Hellhounds bis aufs Detail genau durchgeplant, und war sehr darum bemüht, das "form follows function"-Prinzip einzuhalten und die Rüstung trotzdem badass aussehen zu lassen. Zwar hatte ich Sharon als Charakter schon sehr früh eingeplant, aber dass sie tatsächlich ein Operator werden sollte, war eine Entscheidung, die ich lange nach dem fertigen Rüstungsdesign getroffen hatte. Und als es endlich dazu kam, sie in Band 2 in der Rüstung zu zeichnen, kam ich ziemlich ins Straucheln – wohin mit ihrer Oberweite... denn die Brustpanzerplatte der Jungs ist eigentlich sehr flach und die Hellhounds hatten wohl selbst nicht vorgesehen, jemals weibliche Rüstungs-Versionen anzufertigen ;D
Ich wollte das Design jedoch nicht abändern, um es an einen Frauenkörper adaptieren, da es mir wichtig war den Einheitslook des Teams beizubehalten, daher habe ich ein paar unauffällige Anpassungen gemacht und mich ein bisschen um das Dilemma herum gemogelt. Ich vermute aber, als Kerl hätte ich eventuell mehr Wert auf das (Re)Design gelegt oder hätte mir von vorneherein schon bei der Planung mehr Gedanken darum gemacht ^^ |
Schaut bei unseren Gesprächspartnerinnen vorbei:
Frauke Berger @frauke_berger Claudya Schmidt @alectorfencer Katrin Gal @radacs